Die Frage

Die grundlegende Frage dieses Blogs lautet:

Ist es möglich, systematisch über Tiefenstrukturen der Macht in offenen Gesellschaften zu schreiben, ohne Verschwörungstheorie-Theoretiker (VTT) gegen sich aufzubringen?

Mit Tiefenstrukturen der Macht (TSM) sind politische Kräfte gemeint, die nicht gewählt sind und die sich dem Einfluss des Souveräns weitgehend entziehen.

Sie legen keinen Wert auf öffentliche Anerkennung oder Legitimation, ihnen geht es darum, Politik im Hintergrund zu gestalten (das englische Verb to shape wird uns in diesem Zusammenhang öfters begegnen).

Peter Dale Scott ist der Veteran der Tiefenstaatsforschung. Er lehrte Jahrzehnte lang in Berkeley, allerdings Anglistik. Sozialwissenschaftler und Historiker mieden das Thema.

Vertreter tiefenstruktureller Macht verfolgen nicht selten eine langfristige Strategie, wenn nicht Mission. Sie können national organisiert sein oder auch international, was die Kontrolle weiter erschwert.

Mit Verschwörungstheorie-Theoretikern (VTT) sind Leute gemeint, die die Theorie vertreten, dass Individuen in einer offenen Gesellschaft nicht in der Lage sind, Politik aus dem Hintergrund maßgeblich zu gestalten – selbst dann nicht, wenn sie sich mit Gleichgesinnten zusammentun und über machtvolle Ressourcen verfügen.

Laut VTT entscheidet immer das Volk (also der Souverän), was in einer Demokratie passiert. Deswegen halten sie TSM für überbewertet oder leugnen sie ganz.

Ein Professor sollte es besser wissen…

Demnach hat – etwas salopp gesagt – ein Milliardär aus Boston mit Anbindung an die CIA nicht mehr Macht als ein Schuster in Reutlingen, der regelmäßig wählen geht.

Gegenteilige Forschungsergebnisse bezeichnen Verschwörungstheorie-Theoretiker als „Verschwörungstheorie“ und deren Autoren als Verschwörungstheoretiker (daher der etwas umständliche Name).

Es handelt sich also scheinbar um einen Konflkt zwischen Theoretikern, der allerdings sehr praktische Folgen hat, wie wir auf diesem Blog zeigen werden.

Denn tatsächlich sind VTT zentrale Säulen tiefenstruktureller Macht, selbst wenn sie sich dessen vielleicht nicht bewusst sind. Sie helfen nämlich, die undemokratische und nicht selten kriminelle Natur von TSM zu kaschieren, indem sie sagen:

„Es gibt sie gar nicht!“

Was es aber nicht gibt, kann man nicht finden, geschweige denn kritisieren. Da hilft die beste Pressefreiheit nichts, auf die offene Gesellschaften so stolz sind.

Ein Star der deutschen VTT-Szene ist Professor Dr. Michael Butter, der an der Universität Tübingen Amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte lehrt.

Sein viel gelobtes Buch zu dem Thema heißt:

„Nichts ist, wie es scheint.“ Über Verschwörungstheorien (Suhrkamp 2018).

Als Einstieg in den Blog (April 2020) werde ich dieses Werk analysieren, und zwar in mehreren Beiträgen. Sie sind abgespeichert unter Berühmte Verschwörungstheorie-Theoretiker.

Die Kernthese der Artikel-Serie möchte ich indes schon hier verraten. Sie lautet: Ein Professor sollte es besser wissen, wenn er an die Freiheit der Wissenschaft glaubt.

P.S. Im Angesicht des anhaltenden Corona-Notstands habe ich meine Pläne geändert: Als Einstieg in den Blog werde ich zunächst ein rückblickendes Virus-Tagebuch schreiben, das unter My Own Private Bergamo abgespeichert ist.

4. April 2020